Dieser Bericht erschien am 6.7.2022 in der Heinsberger Zeitung  in der Serie „Unser Dorf“

Ein Ort mit Historie und Zukunftsperspektiven

Ein Dorf in dem sich viel tut

Im Herzen von Orsbeck liegt das älteste Gebäude im Kreis Heinsberg. Aber neben dieser Idylle gibt es auch ein drängendes Problem

Wassenberg-Orsbeck: Im Herzen von Orsbeck schlummert der vielleicht größte Schatz des 1800-Einwohner—Ortes. Die Kirche St. Martin ist das wahrscheinlich älteste Gebäude im Kreis Heinsberg und eine der ältesten christlichen Kultstätten der Region. Ursprünglich wurde sie als fränkischen Saalkirche zwischen dem 7. und 11. lahrhundert gebaut. Heute beheimatet sie in dem um das Jahr 1000 errichteten Turm auch ein kleines Heimatmuseum. Die Kirche und das Areal um sie herum sind ein ruhiger, ein beschaulicher Ort. Dabei tut sich in Orsbeck sehr viel.

Orsbeck wächst. Und zwar in Richtung Wassenberg. Dort hat die Stadt eine zentrale Sportstätte gebaut, die für Fußballer, Leichtathleten und Baseballer aus dem gesamten Stadtgebiet eine sportliche Heimat und professionelle Wettkampfstätte werden soll. Zwischen der Sportanlage und Orsbeck wachsen die Häuser aus dem Boden. „Das geht richtig schnell”, sagt Ortsvorsteher Franz—Josef Beckers. Er rechnet damit, dass Ende desJahres bereits die Hälfte der Häuser in dem Neubaugebiet fertig sein werden.

Ein Schmuckstück mit viel Geschichte: Die Orsbecker Kirche St. Martin ist wohl das älteste Gebäude im Kreis Heinsberg. Sie wurde vom 7. bis zum 11. Jahrhundert gebaut. Foto: MHA/Daniel Gerhards

Wenn dort junge Menschen sesshaft werden, um eine Familie zu gründen, dann könnte das auf etwas längere Sicht auch Nachwuchs für die Orsbecker Vereinswelt mit sich bringen. Die Vereine sind in den Dörfern — das wird in vielen Orten deutlich — der Kitt, der die Menschen zusammenhält. Und funktionierende Vereine seien auch in Orsbeck wichtig, sagt Beckers, der auch Ortsringvorsitzender ist. Bruderschaft, Feuerwehr, Musik— und Karnevalsverein und einige mehr bringen die Menschen zusammen und engagieren sich auch für das Dorf. „Viele Vereine haben unter Corona gelitten“, sagt Beckers, „jetzt bemühen sich alle sehr, wieder in Schwung zu kommen.“

Dass die Vereine nicht nur bei Themen wie Freizeit, Kultur und Sport einiges bewegen, zeigt die Tatsache, dass der Förderverein der MartinusSchule als Träger der OGS mit 13 Angestellten der größte Arbeitgeber in Orsbeck sei, wie Beckers sagt.

Orsbecker durch und durch: Franz—Josef Beckers ist Ortsvorsteher und Ortsringvorsitzender und immer da, wenn es anzupacken gilt. Foto MHA/Daniel Gerhards

 

 

Beckers ist Orsbecker durch und durch. „Mich würde hier keiner wegkriegen“, sagt der 69—Jährige. Nur ganz zu Beginn seines Lebens hat er einmal nicht im Ort gewohnt. Er ist in der Eifel geboren, seine Mutter stammt aus Rohren, sein Vater, ein Originalorsbecker, arbeitete dort als Waldarbeiter. Schon mit zwei Jahren kam Beckers dann in das Dorf, das bis heute seine Heimat ist. Und Beckers begann früh sich zu engagieren. Schon als Schüler schaute er sich Gemeinderatssitzungen an, er wurde Mitglied der CDU, war 1975 der jüngste Stadtverordnete im ganzen Kreis Heinsberg, wurde später Fraktionsvorsitzender im Wassenberger Stadtrat, Kreistagsmitglied und Chef des CDU—Stadtverbands. Sein Engagement für Orsbeck ist aber nicht nur politisch. Für Beckers war immer klar: Wenn es etwas im Ort zu tun gibt, dann ist er da.

 

 

 

Als der Von-Rohmen-Platz umgestaltet und 2020 fertig wurde, freute sich Beckers über die schöne Beleuchtung auf dem Platz. Beckers war schon in der Bauphase immer wieder auf dem Platz, um Ideen und Änderungswünsche einzubringen. Aber bei einem abendlichen Spaziergang über den Platz, beschlich ihn das Gefühlt, das noch etwas fehlte. Beckers dachte sich: „Die Kirche muss angestrahlt werden.“ Und weil er und seine Frau auch in der Gemeinde aktiv sind, brachten sie die idee vor, die heute umgesetzt ist.

 

Kürzlich neu gestaltet: Der Von—Rohmen-Platz hat vor wenigen Jahren eine Frischzellenkur bekommen. Foto: MHA/Daniel Gerhards

Ganz so friedlich und reibungslos gingen die Dinge in Orsbeck aber nicht immer vonstatten. Am Morgen des 27.Juli 1206 standen sich in den Niederungen der Rur zwei gewaltige Heere gegenüber, lhr Aufeinandertreffen sollte als Schlacht von Wassenberg in die Geschichte eingehen. In Orsbeck ging es damals um den deutschen Königsthron. Denn Anfang des 13. Jahrhunderts gab es zwei deutsche Könige, die sich gegenseitig nicht anerkannten. Auf der einen Seite stand der Staufer Philipp von Schwaben, auf der anderen Seite der Welfe Otto von Braunschweig. Wahrscheinlich zogen an diesem Tag mindestens 5000 Krieger bei Orsbeck in die Schlacht.

Probleme gibt es in Orsbeck auch heute noch. Aber die sind längst nicht mehr so bedrohlich, dass sie auf dem Schlachtfeld ausgetragen werden müssten. Orsbeck ächzt schon lange unter dem Durchgangsverkehr. Autofahrer, die zum Beispiel aus Ratheim kommen und nach Heinsberg wollen, kürzen oft durch das Orsbecker Zentrum ab.

Besonders deutlich wurde das nach der Freigabe der Wassenberger Ortsumgehung (B221 n). Diese Verkehrsentlastung für die Wassenberger lnnenstadt brachte noch einmal mehr Verkehr nach Orsbeck.

Beckers sieht für das Orsbecker Verkehrsproblem nur eine Lösung, aber die ist auch umstritten. Wenn die Unterbrucher Ortsumgehung einmal gebaut ist, dann wurde die Abkürzung durch Orsbeck keinen Sinn mehr ergeben. Die Umgehungsstraße würde dann aber zwischen Orsbeck und Luchtenberg verlaufen — also zwischen zwei Orten, die sich als Einheit verstehen. Die Anlieger einer möglichen neuen Trasse sind schon häufiger gegen sie auf die Barrikaden gegangen. Eine kurzfristige Lösung wäre das aber sowieso nicht. im Bundesverkehrswegeplan ist die Unterbrucher Umgehung mit „vordringlichem Bedarf“ gekennzeichnet. Allerdings werden bis zu einem Bau noch Jahre ins Land gehen. Bundestagsabgeordneter Wilfried Oeliers (CDU), ein Befürworter dieses Straßenbauprojekts, hatte zuletzt gefordert, dass zumindest die Planfeststellung „in dieser Legislaturperiode“ — also bis Ende 2025 — abgeschlossen werden soll.

Eine schnellere Lösung könnte es für einen weiteren Wunsch der Orsbecker geben. „Wir wünschen uns dringend einen Kinderspielplatz in Luchtenberg”, sagt Beckers. Das sei bisher an der Suche nach einem geeigneten Grundstück gescheitert, sagt er. Allerdings arbeitet die Stadt Wassenberg aktuell an einem umfassenden Spielplatzkonzept. Dabei hat es auch einen erneuten Vorstoß für einen Spielplatz in Luchtenberg gegeben.

Bei Hochwasser vor einem Jahr sind die Orsbecker noch einmal davongekommen. Die Rur ist dort Anziehungspunkt für viele Spaziergänger und Radfahrer. Foto: MHA/Daniel Gerhards

 

 

 

Als vor einem Jahr das Rur-Hochwasser ganze Orte unter Wasser setzte, blickten auch die Orsbecker mit großer Sorge auf den Fluss, der ihren Ort passiert. „Da war ich Tag und Nacht auf den Beinen“, sagt Beckers. Wäre das Wasser noch drei Zentimeter höher gestiegen, hätte es auch in Orsbeck schwerere Schäden gegeben. So seien bloß in Luchtenberg einige Keller voiigelaufen, sagt er. Heute, ein Jahr nach der Flut, ist die Rur wieder Anziehungspunkt für Spaziergänger und Ausflügler.

Eine Attraktion war auch lange die Wallfahrt nach Orsbeck, die es seit 1817 gibt. 1802 erhiet die Orsbecker Pfarre eine Kreuzreliquie aus dem Dalheimer Kloster, die viele Gläubige — vor allem aus Anrath und Vorst — anzog. Bei der 100. Wallfahrt seien 10.000 Pilger nach Orsbeck gekommen, sagt Beckers. Heute hat das Interesse an der Reliquie etwas nachgelassen. Bei der letzten Wallfahrt seien es noch 35 bis 40 Menschen gewesen, die hauptsächlich mit dem Rad oder auch per Auto nach Orsbeck kamen.