Kaufhaus in Trouble
Komödie in 3 Akten von Winnie Abel
Die Zeit vom 11. - 13.10.2024 war in diesem Jahr wiederTheaterwochenende in Orsbeck. Wie immer erläuterte Melanie Thönnissen, die Regisseurin, vor Beginn der Aufführung in groben Zügen den Inhalt des diesjährigen Stückes.
Orsbecker Kaufhaus ringt um Existenz, titelt die Rheinische Post in ihrem Bericht vom 14.10.2024. Die Unterstützung aller Orsbecker ist dem Kaufhaus Kaudi gesichert.
Im Kaufhaus Dickeschanz (Kaudi) herrscht gähnende Leere. Fast alle shoppen online von zu Hause aus. Und kommen sie doch mal ins Kaufhaus, dann werden dort mehr Geschäfte auf der Kundentoilette gemacht als im Laden. Jetzt soll ein knallharter Unternehmensberater kommen, alles auf den Prüfstand stellen und Mitarbeiter kündigen – auch die beiden Verkäuferinnen Gina und Suse werden genau unter die Lupe genommen. Dumm nur, dass Suse gerade eher „dement“ statt effizient wird und ihren Job auf keinen Fall verlieren darf! Die beiden Verkäuferinnen haben nur eine Chance: Sie müssen so tun, als laufe ihre Abteilung prächtig!
„Kaufhaus in Trouble“ zeigt auf unglaublich humorvolle Weise die aktuellen Herausforderungen des Einzelhandels auf. Und bezieht die Zuschauer dabei immer wieder witzig ins Geschehen ein – mal sind sie die Belegschaft bei der Betriebsversammlung – mal landen sie als Kundschaft auf der Bühne.
Wieder einmal ist im Kaufhaus Dickeschanz keine Kundschaft. Die Verkäuferinnen Gina und Suse haben nichts zu tun. Suse legt aus Langeweile Kleidung zusammen und Gina macht sich schick. Draußen geht jemand vorbei. Kommt er ins Geschäft? – Er geht vorbei, wieder kein Kunde! Fast alle shoppen online von zu Hause aus. Also nutzt Gina die Zeit als Influenzerin für Beauty-Artikel.
Da ertönt eine Stimme aus dem Radio: „Und hier die Nachrichten aus Orsbeck, Deutschland und der Welt! Die angeschlagene Kaufhaus-Kette Dickeschanz, kurz Kaudi, steht wohl haarscharf vor einer Insolvenz.“ Die beiden Verkäuferinnen sind geschockt.
Da betritt Ramon als erster Kunde den Laden. Er ist schwul und zeigt es auch sehr deutlich. Wie immer stolziert der modebewusste Ramon durch alle Reihen. Schnell wird er fündig. Es soll eine enge Jeans sein, 32-er Weite. „Ach, ist die schön, so was lieb ich ja!“ Beim Anprobieren stellt sich heraus, dass die Hose viel zu eng ist, aber Ramon meint, dass nur der Reißverschluss nicht zugeht. Außerdem findet er eine schöne Jacke. Suse will die Jacke schon einmal zur Kasse bringen, aber Ramon meint: „Die bekomme ich bei Zalando 12 € günstiger.“
Aber er will noch einmal schnell zur Toilette, doch an Ute, der Klofrau, kommt keiner vorbei ohne die 50 Cent zu bezahlen, auch wenn man meint, sie schläft.
Frau Wittgen betritt den Laden. Sie kommt täglich und – wie immer – schaut sich sich erst einmal nur um, schaut hier und da, probiert…
Sie lässt heimlich etwas in ihrer Tasche verschwinden und kauft dann eine Kleinigkeit. „Ich zahle mit Karte!“ Doch das Lesegerät funktioniert wieder nicht. Zum Automaten um die Ecke möchte sie nicht, verlässt also ohne Einkauf das Geschäft. Suse meint: „Bei uns macht man nur noch auf der Toilette Geschäfte!“
Betriebsversammlung
Die Geschäftsführerin Berti Köhler beruhigt ihre Kolleginnen („Mama regelt das schon!“). Sie meint, sie hätte alles im Griff und könnte die bevorstehende Insolvenz vermeiden. Da erscheint Carsten Maschmaurer, der Unternehmensberater. Er hat große Ideen, kennt sich (angeblich) darin aus, wie man insolvente Betriebe saniert bzw. stilllegt. Der Vorhang schließt sich, viele Schauspieler mischen sich unter das Publikum, die Betriebsversammlung kann beginnen.
„Bei uns wird keine einzige Stelle gestrichen“, das verspricht vollmundig die Geschäftsleitung Berti in den voll besetzten Saal. Doch sie wird abrupt von Herrn Maschmaurer unterbrochen. „Ich bin die rechte Hand von Malen von Dickeschanz, mein Name ist Carsten Maschmaurer und war Partner von McBimsey,“ und schon präsentiert er sein Erfolgskonzept zur Sanierung des Kaufhauses. Dabei wirft er nur so um sich mit den Begriffen aus den Wirtschaftswissenschaften: „Supply-Chain-Management“, „Reducing aufs Core Business“, „Deep Dive“… Aus dem Publikum fallen Bemerkungen wie „Kann der kein Deutsch!“, „Wir haben doch schon auf unsere Betriebsrenten verzichtet,…“. Die Antwort von Herrn Matschbauer, wie Ute ihn nennt, ist: „Aber nur, wenn die Cashflow-Umsatzrendite in Relation zum Personalaufwandsprodukt steht!“ Fest steht jedenfalls, es muss sich etwas ändern bei Kaudi, sonst ist Schluss. Mit diesem Tenor endet die Versammlung.
Niedergeschlagen beraten die Verkäuferinnen, was zu tun ist. Sie wollen auf keinen Fall aufgeben. Deshalb machen sie einen Plan zur Umgestaltung der Abteilung und überlegen, wie man Kunden ins Geschäft bekommt.
Am nächsten Morgen ist alles umgeräumt, der Laden glänzt, die Wühltische sind verschwunden, auch die Rabattschilder, man bietet jetzt „exclusive Exponate“. Gina hat ihre Kusine gebeten vorbeizuschauen.
Doch Herr Maschmaurer beobachtet genau und notiert. „Ich will Ihre Performance sehen!“
Natürlich weiß Samira, die Kusine von Gina, zunächst nicht, was Gina von ihr will. Sie soll kaufen, kaufen, kaufen. Doch Samira schoppt eigentlich immer online. Schließlich begreift sie aber und lässt sich alles andrehen. Herr Maschmaurer ist begeistert. „Manchmal sind wir am Samstagabend fast ausverkauft“, sagt Gina. Ute mischt sich ein: „Innovativ? Das bin ich auch, ich bin jetzt sogar im Internet auf www.scheiße.de.“ Das kommt aber bei den Kolleginnen nicht gut an. da betritt – wie täglich – Frau Wittgen den Laden. Wie immer will sie sich nur umsehen, probiert dies und das. Da fällt ihr Blick auf den Gürtel von Suse. „Gibt es den hier zu kaufen?“ – „Nein“, erwidert Suse. Ertappt! Das Wort „nein“ ist tabu. Der strenge Blick von Carsten Maschmaurer weist darauf hin. Also entscheidet Suse, Frau Wittgen ihren eigenen Gürtel abzugeben. Was tut man nicht alles fürs Geschäft! Das sieht auch Berti Köhler, die Geschäftsführung gibt (mehr oder weniger) kluge Ratschläge.
Samira und Gina gehen zur Kasse. „Das macht dann 2727,96 €.“ – „Ich überziehe dafür doch nicht mein Konto, auch wenn ich die Sachen nächste Woche wieder umtauschen kann!“ Schnell verlässt sie ohne Sachen den Laden. Carsten Maschmaurer, der alles genau festhält, fragt: „No deal?“ Doch Gina antwortet schlagfertig: „Doch, doch, sie holt alles nächste Woche ab, wenn sie mit dem Auto da ist. So viel kann sie jetzt nicht tragen.“
Auch Frau Wittgen zahlt die gekauften Sachen bei Suse, muss sie wohl, denn ihre eigenen Kleider sind nicht mehr da. Beim Umziehen hat Suse sie von der Stange genommen und, weil sie nach Angstschweiß miefen, in die Reinigung gegeben.
Der Unternehmensberater mahnt zu „Tempo, Tempo“, und Suse reicht ihm ein Paket Tempo-Taschentücher. Er verbucht die Reinigung der Kleider aber als geschickten Verkaufstrick.
Leider fallen Suse in der Hektik die an der Kasse stehenden Stecknadeln hin, sie ist wegen der Dauerbeobachtung nervös, versucht ungeschickt sie aufzusammeln. Gina hilft ihr. „Das werde ich dir nie vergessen!“ – „Da bin ich mir nicht so sicher!“, weiß Gina.
In dem Moment robbt Mark, ein Bundeswehr-Soldat, ins Geschäft, einfach so, um sich „einen Begrüßungskuss“ von seiner Freundin Gina abzuholen. Die Beiden verschwinden in der Umkleide und man hört eindeutig zweideutige Geräusche, doch Suse verteidigt die Umkleide. Da kann jetzt niemand stören, nicht einmal die Geschäftsführung.
Das Ehrenmitglied des Rurauen-Theaters, Monika Matzerath, betritt die Bühne. Auch sie muss kaufen, entscheidet sich für einen Morgenmantel und Parfüm. Leider kann sie aber (aus besagten Gründen) die Umkleide nicht nutzen.
Natürlich wird auch Mark animiert, etwas zu kaufen, nachdem er und Gina die Umkleide verlassen haben.. Einmal im Gespräch mit Carsten Maschmaurer wird er zum Generaleinkäufer der Bundeswehr. Gina beeilt sich zu behaupten: „Die erste Bestellung ist auf dem Weg: 50000 Handtücher, Bettwäsche und 2000 Kaffeemaschinen.“ Ute muss natürlich erwähnen: „Wenn die Bundeswehr bestellt, sind die Sachen ratz-fatz da, spätestens in 15 Jahren.“
Noch einmal geht Herr Maschmaurer zusammen mit der Geschäftsführung die Zahlen durch. „Ich will Umsatz sehen!“
Nach der Pause beginnt die neue Szene mit Ute, die so großen Kohldampf hat, dass sie kurzerhand jemanden aus dem Publikum bittet, für eine kurze Zeit die Toilette zu bewachen und ja das Kassieren der 50 Cent nicht zu vergessen. Schnell findet sich jemand, der aber den Job nur mit ihrer Kappe übernimmt.
Plötzlich erscheint Emma, eine Klimaaktivistin, auf der Bühne und schreibt „No planet B“ an die Tafel. Dann nimmt sie Sekundenkleber, schmiert ihn aus Versehen auf beide Hände, so dass eine Hand an ihrer Hose festklebt, die zweite am Boden. Mark kommt von der Toilette, zahlt brav, sieht Emma und ruft: „Sie müssen da weg!“ Er zerrt an ihr, sie schreit. Sie muss weg, denn jeden Moment kann Frau von Dickeschanz kommen. Ute ist wieder zurück, sie soll helfen, die Hände zu lösen, aber sie hat nur Mittel gegen Urinstein. Mark recherchiert im Handy. Speiseöl hilft. Suse und Gina machen sich Sorgen, wenn gleich Herr Maschmaurer oder die Dickeschanz erscheinen.
Was bleibt ihnen anderes übrig als einen Kleiderständer vorzuziehen und so gut es eben geht, die Klimaaktivistin zu verstecken. Kurzerhand stopft Suse ihr noch eine Unterhose in den Mund, damit sie nicht schreien kann.
Da erscheint sie auch schon, die vornehme Dame, Marlen von Dickeschanz. Gina schreibt noch schnell unter „No planet B“ „without fashion“. Ihr folgt Carsten Maschmaurer, um die Lage mit Marlen zu besprechen. Im Vertrauen auf ihren Unternehmensberater, alles richtig zu machen, unterschreibt sie, ohne sie zu lesen, die vorgelegten Unterlagen. „Sie gehören damit zu den Top Prioritys, zur Hensgens Edeka Group!“
Als Frau Dickeschanz die Bühne verlassen hat, kommt Mark mit dem Speiseöl und befreit Emma. Der Vorhang schließt zur Hälfte, davor erscheint Frau Dickeschanz. Sie sinniert, denkt an ihre Eltern, die das Geschäft aufgebaut haben. „Was würden sie wohl raten?“ Sie betritt wieder die Bühne, sieht den Platz der Klofrau unbesetzt und schlüpft in diese Rolle. So kann sie unerkannt die Vorgänge im Geschäft beobachten. Als Ute wieder erscheint, erklärt ihr Frau Dickeschanz, dass sie die Vertretung sei, von Piccobello geschickt. Ute solle Urlaub machen und großzügig erhielt sie dafür ein paar Hunderter.
Entsetzt muss Frau Dickeschanz ein Telefonat von Herrn Maschmaurer mithören, der mit Hensgens spricht: „Wir können reden, hier ist nur die Putze. Alles perfekt. Die Dickeschanz versteht doch sowieso nichts vom Geschäft. Die hat den Verkauf der Anteile an Sie unterschrieben.“ Auch von den Verkäuferinnen muss Frau Dickeschanz erfahren, dass Herr Maschmaurer sie hintergangen hat, nur an den eigenen Vorteil denkt und mindestens die Hälfte der Belegschaft weg rationalisieren will. Was kann man da machen? Die Verkäuferinnen und Mark haben einen Plan. Frau Dickeschanz bittet den Berater, ihr die Unterlagen noch einmal zu geben, sie hätte eben keine Lesebrille gehabt. Doch er drückt das Klemmbrett fest an den Körper und ist keineswegs bereit, sie nochmals herauszugeben.
Da bittet Frau Dickeschanz Herrn Maschmaurer, eine Unterhose anzuprobieren. Sie würde sie gerne für ihren Sohn kaufen. Er hat die gleiche Figur. Schweren Herzens lässt sich der Unternehmensberater darauf ein. In dem Moment ertönt eine Durchsage: „Achtung! In der Tiefgarage steht ein Porsche mit Münchener Kennzeichen in Flammen!“ In Unterhose rennt Herr Maschmaurer aus dem Geschäft.
Zur gleichen Zeit kommt Mark ins Geschäft und hat Frau Wittgen fest am Arm. „Ich habe die Diebin!“ Sofort gibt Frau Wittgen auch alles zu. „Ich kann nicht anders, da ist so ein Druck und danach geht es mir besser!“
Zwischenzeitlich konnte Frau Dickeschanz den unterschriebenen Vertrag in den Akten des Unternehmensberaters finden und an sich nehmen. Natürlich wird jetzt alles anders. Die Geschäftsführung und die Verkäuferinnen sprudeln nur so über vor Ideen: Wir verkleinern das Sortiment und konzentrieren uns nur auf Waren, die vor Ort sonst kein anderer Händler hat! Und die frei gewordene Fläche wird zum Platz für Pop-Up-Stores. Solo-Selbstständige, Handwerker und Designer haben bei uns ihre Arbeitsplätze und Ateliers und können ihre lokalen Produkte direkt verkaufen! Und unterm Dach richten wir Räume ein, die von der ganzen Stadt genutzt werden. Für Kunstausstellungen, Nähkurse, Kinder-Workshops… Frau Dickeschanz ist begeistert.
Da erscheint wieder der Unternehmensberater. Er wurde entlarvt und vor seinen Augen zerreißt Frau Dickeschanz den Vertrag. „Sie sind gefeuert, Herr Maschmaurer!“